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Warum du diesen Artikel lesen solltest: Die neue Bertelsmann-Stifung-Studie "Simplifying European AI Regulation" liefert konkrete Lösungsansätze für eines der drängendsten Probleme der europäischen KI-Governance: Wie lässt sich der AI Act vereinfachen, ohne seine Schutzwirkung zu schwächen? Für Unternehmen, Compliance-Verantwortliche und KI-Praktiker bietet die Studie wertvolle Einblicke in die praktischen Herausforderungen der AI Act-Umsetzung und zeigt auf, wo die EU nachbessern muss.
Seit dem Inkrafttreten des AI Act im August 2024 steht Europa vor einer komplexen Aufgabe: den weltweit ersten umfassenden Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz erfolgreich umzusetzen. Doch die Praxis zeigt bereits jetzt erhebliche Herausforderungen auf.
Die Bertelsmann-Studie, die auf 15 strukturierten Interviews und einem Stakeholder-Workshop basiert, bringt diese Probleme auf den Punkt. Unternehmen kämpfen mit unklaren Klassifizierungen von Hochrisikosystemen, während kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor einem Berg von Dokumentationspflichten stehen, die ihre Ressourcen überfordern.
Die empirische Basis der Studie offenbart interessante Widersprüche in der Wahrnehmung des AI Act:
Unternehmen begrüßen grundsätzlich die risikobasierte Regulierung, haben aber massive Probleme bei der praktischen Anwendung. Besonders die Klassifizierung von Hochrisikosystemen und die Dokumentationspflichten bereiten Schwierigkeiten.
Zivilgesellschaftliche Organisationen warnen davor, dass Vereinfachungen nicht den Schutz der Grundrechte gefährden dürfen. Insbesondere bei sensiblen Themen wie biometrischer Überwachung pochen sie auf strenge Standards.
Die Studie wird vor dem Hintergrund des Draghi-Berichts zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit besonders relevant. Mario Draghi betonte 2024, dass Europas wirtschaftliche Stärke davon abhängt, wie gut Innovation und Regulierung in Einklang gebracht werden.
Die Bertelsmann-Studie liefert hier konkrete Antworten: Eine unkoordinierte Umsetzung des AI Act könnte die Wettbewerbsfähigkeit Europas gefährden. Gleichzeitig bietet ein gut implementierter AI Act die Chance, Europa als Vorreiter für vertrauenswürdige KI zu positionieren.
Ein zentraler Erkenntnisgewinn der Studie liegt in der Klarstellung des Begriffs "Vereinfachung". Die Autoren Prof. Dr. Philipp Hacker, Dr. Robert Kilian und Prof. Dr. Jana Costas verstehen darunter explizit keine Deregulierung , sondern eine systematische Entflechtung regulatorischer Überschneidungen.
Diese Unterscheidung ist entscheidend: Es geht nicht darum, Schutzstandards zu senken, sondern die praktische Anwendung zu erleichtern. Konkret bedeutet das:
Die Studie identifiziert neun zentrale Bereiche, in denen der AI Act dringend nachgebessert werden muss, aufgeteilt auf drei Themenfelder:
Risikoklassifizierung und Governance verfeinern
Die aktuelle Klassifizierung von Hochrisikosystemen führt zu Rechtsunsicherheit. Unternehmen wissen oft nicht, ob ihre KI-Anwendung unter die strengeren Auflagen fällt.
Technische Anforderungen anpassen
Die Dokumentationspflichten sind besonders für KMU eine erhebliche Belastung. Hier braucht es vereinfachte Verfahren und praxistaugliche Standards.
Aufsichtsstrukturen bündeln
Die mangelnde Koordination zwischen nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden gefährdet eine einheitliche Umsetzung des AI Act.
Ein besonderer Schwerpunkt der Studie liegt auf den Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen. Die Erkenntnisse sind alarmierend: KMU stehen vor der Aufgabe, unterschiedliche Pflichten aus mehreren Rechtsakten gleichzeitig zu erfüllen, was zu hohen administrativen Aufwänden und rechtlicher Unsicherheit führt .bertelsmann-stiftung
Die Studie empfiehlt konkrete Entlastungsmaßnahmen:
Mit der Digital-Omnibus-Verordnung, die die EU-Kommission im November 2025 vorgestellt hat, werden die Empfehlungen der Studie bereits aufgegriffen. Das Paket zielt darauf ab, zentrale Rechtsakte wie den AI Act, den Data Act und die DSGVO besser aufeinander abzustimmen.
Die Studie wird damit zu einem wichtigen Baustein der europäischen Digitalpolitik und zeigt, wie evidenzbasierte Forschung konkrete Politikgestaltung beeinflussen kann.
Für Unternehmen und Compliance-Verantwortliche ergeben sich aus der Studie konkrete Handlungsfelder:
Die Bertelsmann-Studie "Simplifying European AI Regulation" ist mehr als eine akademische Analyse – sie ist ein praktischer Wegweiser für die Zukunft der europäischen KI-Governance. Die Studie zeigt auf, dass Vereinfachung und Schutz kein Widerspruch sein müssen, wenn sie intelligent umgesetzt werden.
Die neun identifizierten Reformbereiche bieten eine konkrete Roadmap für Policymaker, während die empirischen Erkenntnisse Unternehmen helfen, ihre Compliance-Strategien zu entwickeln. Besonders wertvoll ist der Fokus auf KMU, die oft übersehen werden, aber das Rückgrat der europäischen Wirtschaft bilden.
Mit der Digital-Omnibus-Verordnung hat die EU bereits begonnen, die Empfehlungen umzusetzen. Jetzt liegt es an allen Beteiligten – Unternehmen, Regulierern und der Zivilgesellschaft –, diesen Prozess konstruktiv zu begleiten und Europa als Vorreiter für vertrauenswürdige KI zu etablieren.
Volle Studie hier: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/simplifying-european-ai-regulation
Disclaimer: Bei diesem Artikel hatte ich digitale Unterstützung: KI hat beim Research und beim Formulieren geholfen, die Endredaktion und inhaltliche Verantwortung liegen bei mir als Autor.

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